geboren: 1889
Tod: 1975
Biographie:
Albert Reuss, geboren als Albert Reisz und Sidonia geborene Freund (* 1861 in Nitra; † 1928 in Wien) in Wien geboren. Er hatte acht Brüder und zwei Schwestern, von denen drei in früher Kindheit starben. In den späten 1880er Jahren siedelte die Familie von Ungarn nach Wien über, wo der Familienname von den Behörden mit Reiss registriert wurde. Im Alter von 5 Jahren begann Reuss zu Malen. Mit 12 erhielt er Malunterricht von einem Onkel, dem Baron Andreas Ritter von Reisinger, der mit einer Schwester seines Vaters verheiratet war. Als Reuss ihm ein Gemälde von der Totenmaske Ludwig van Beethovens präsentierte, zweifelte sein Onkel an, dass die Arbeit von ihm stammte. Die Infragestellung seiner künstlerischen Fähigkeiten sollte Reuss bis zu seinem Lebensende im Gedächtnis bleiben. Nach Abschluss der Volksschule bewarb er sich im Alter von 14 Jahren erfolglos an der Akademie der bildenden Künste Wien. Währenddessen hatte er seinem Vater als Pferdepfleger zu helfen oder Tiere zum Schlachthof zu führen, was er als „beängstigend“ erlebte. Ursprünglich sollte er den Beruf des Vaters weiterführen. Dieser wollte jedoch den ungewöhnlichen Neigungen seines Sohnes Rechnung tragen und legte für ihn eine Ausbildung zum Schauspieler fest. Von 1909 bis 1913 übernahm Reuss Rollen in diversen österreichischen und tschechischen Provinztheatern, in denen er auch Gesangsauftritte zu absolvieren hatte. Im Rückblick kommentierte Reuss seine Tätigkeit selbstironisch, erwähnte ein Lispeln und seine Unfähigkeit, auf die Eingaben des Souffleurs zu achten. Die Einberufung zum Kriegsdienst hatte er verweigert. Da er die Geldstrafe von 5 Schilling nicht bezahlen konnte, wurde er für 24 Stunden in einem Gefängnis inhaftiert. Im Ersten Weltkrieg wurde Reuss aufgrund seines fragilen Gesundheitszustandes, er litt zeitlebens unter Lungen- und Rippenfellentzündungen, in Wien eingesetzt und kam nicht zum Fronteinsatz. 1915 begegnete er Rosa Feinstein (* 1891 in Wien), der Tochter eines jüdisch-russischen Kaufmanns. Rosa und er heirateten im Dezember 1916. Im selben Jahr erkrankte er an Tuberkulose und verbrachte 18 Monate in einem Sanatorium, während seine Frau als Sekretärin den Lebensunterhalt verdiente. Im Oktober 1922 konvertierte das Paar zum Christentum. Albert ließ sich in Wien am Möllwaldplatz 3 als Maler nieder und verwendete zum ersten Mal den Nachnamen „Reuss“ (offiziell wurde der Name erst 1931 behördlich registriert). Mit in die Wohnung zog der 10 Jahre jüngere Student Sylvio Metzger, der zeitlebens eng mit Albert und Rosa Reuss befreundet blieb. 1922 beteiligte sich Reuss mit dem Porträt „Prof. Dr. A. M.“ an einer Ausstellung der Wiener Secession. Er machte sich als Porträtmaler einen Namen, stellte ab 1925 im Hagenbund aus und hatte 1926 seine erste Einzelausstellung in der bekannten Würthle Galerie. Seine Ausstellungen erhielten in der Presse gute Kritiken. Von 1926 bis 1938 unterrichtete er an der Fachlehranstalt für das Kleidungsgewerbe in den Fächern Design für Damen und Kunstgeschichte. Ein Förderer ermöglichte ihm und seiner Frau 1930 einen einjährigen Aufenthalt in Cannes, wo Reuss über 40 Gemälde erstellte. Zwei Jahre später erhielt er mit dem Heimatschein die österreichische Staatsbürgerschaft. Ab Mitte der 1930er Jahre war er auch als Bildhauer tätig, fertigte u. a. Porträtbüsten der Schauspielerin Maria Eis und von dem Wiener Ratsmitglied Johann Grossinger an. Über eine Vermittlung wurde er 1935 zu einem Aufenthalt auf einem Gut in Bedfordshire eingeladen.
Durch den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 musste Reuss, der sich mittlerweile in der Wiener Gesellschaft als Maler und Bildhauer etabliert hatte und zu Wohlstand gelangt war, mit seiner Frau aus Österreich fliehen. Mit Hilfe der englischen Kontakte, die er während seines Aufenthaltes in Bedfordshire aufbauen konnte und durch Vermittlung des Birminghamer Universitätsprofessors John Sturge Stevens, einem Mitglied der Religious Society of Friends, gelang eine Übersiedlung nach England, wo das Ehepaar im August 1938 mit 10 Reichsmark (mehr Bargeld wurde Emigranten von den deutschen Behörden bei der Ausreise nicht gestattet) in Dover eintraf. Der gesamte Haushalt der Wiener Wohnung, der aus 38 Containern bestand, wurde von den Nationalsozialisten konfisziert. Einige Mitglieder der Reuss´schen Familie konnten nicht mehr rechtzeitig aus den von den Deutschen besetzten Gebieten fliehen. Sie überlebten den Holocaust nicht und starben in den Vernichtungslagern Maly Trostenez und Treblinka. Nach einem kurzen Aufenthalt in London wurde das Ehepaar von Stephens nach St Mawes in Cornwall eingeladen, wo Reuss das Atelier von zwei Malerinnen mit benutzen durfte. Im Oktober 1938 wurde ihm dort eine erste Ausstellung eingerichtet, die ein wirtschaftlicher Erfolg wurde und die zu einer weiteren Ausstellung in der Lanham´s Gallery in St Ives (Cornwall) führte. Eine dritte Ausstellung fand im August 1939 in Truro statt. Nach dem deutschen Überfall auf Polen am 1. September 1939 und der englischen Kriegserklärung an Deutschland wurde Reuss im Juni 1940 als Feindlicher Ausländer in einem Internierungslager in Shropshire inhaftiert. Durch Beziehungen wurde er im August wieder entlassen und zog mit seiner Frau zur Miete nach Cheltenham, wo das Paar die nächsten acht Jahre lebte. Eine vierte Einzelausstellung fand 1940 in Cheltenham statt. Reuss erhielt eine Anstellung als Kunstlehrer an der hiesigen Dean Close School und war nun wirtschaftlich unabhängig. 1947 erhielten Albert und Rosa Reuss die englische Staatsbürgerschaft.
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