Ort: Antwerp
geboren: 1863
Tod: 1957
Biographie:
Henry Clement van de Velde war ein belgisch-flämischer Architekt und Designer.
Als sechstes von acht Kindern wurde Henry in eine Apothekerfamilie hineingeboren. Sein Vater, der wohlhabende Brüsseler Guillaume Charles van de Velde, organisierte nebenher Festivals für berühmte internationale Komponisten. Henry van de Velde studierte ab 1882 Malerei in Antwerpen bei Charles Verlat. 1884/85 arbeitete er bei dem Porträtisten Émile Auguste Carolus-Duran in Paris, wo er zunächst der impressionistischen Malergruppe L’Art Indépendant beitrat. Ab 1888 wurde er Mitglied der Künstlervereinigung Les Vingt, der u. a. auch Auguste Rodin, James Ensor und Paul Signac angehörten.
Van de Velde gilt als einer der vielseitigsten Künstler des Jugendstils bzw. Art Nouveau. Von ihm ging eine fundamentale Erneuerung der angewandten Kunst aus. Seine Arbeiten in unterschiedlichen Materialien überwanden das gegenständliche Decorum des späten 19. Jahrhunderts.
„Ein Gefühl von Unruhe und mangelnder Befriedigung beherrschte uns um 1890 so allgemein“, schrieb Henry van de Velde in seinen Kunstgewerblichen Laienpredigten (in deutscher Sprache 1902 erschienen). Die daraus bei ihm resultierende künstlerische Sinnkrise ließ ihn um 1893/1894 seine Laufbahn als Maler abbrechen und sich der Architektur und angewandten Kunst zuwenden.
Van de Velde erhob die Linie zum alleinigen Ausdrucksträger seiner Objekte, exemplarisch gesteigert zur plastischen Form erscheint sie in den berühmt gewordenen Kandelabern von 1898, die für den Freund und Mäzen Harry Graf Kessler angefertigt wurden. Im Jahr 1900 nahm Karl Ernst Osthaus, Gründer des Folkwang-Museums, Kontakt mit van de Velde auf und stellte ihm seine Idee eines Museums vor, das der Kunst in der Industrieregion des Ruhrgebiets einen höheren Stellenwert verschaffen sollte. Van de Velde begleitete das Museumsprojekt, gestaltete die Innenausstattung im Jugendstil und beriet Osthaus, der vorher vor allem an deutscher Malerei des 19. Jahrhunderts aus der Umgebung der Düsseldorfer Malerschule interessiert war, auch bei Ankäufen von belgischen und französischen Kunstwerken. Ende 2013 wurden verschiedene von ihm entworfene Objekte aus dem Familienbesitz Osthaus in München versteigert, so eine silberne, mit Ceylon-Mondsteinen und Damantosen besetzte Gürtelschnalle, ein Schrank aus dem Musikzimmer sowie ein Havana-Sessel aus 1897.
Kurz nach der Jahrhundertwende wurde van de Velde Leiter der Großherzoglich Sächsischen Kunstgewerbeschule Weimar. Er hatte dabei auch den Auftrag des Großherzogs Wilhelm Ernst, sich besonders um die Produktkultur der Kunsthandwerksbetriebe und Industrie im Land zu kümmern, die bald erfolgreich nach seinen Entwürfen arbeiteten. Die Planungs- und Bauzeit der von dem Architektur-Autodidakten van de Velde im Jugendstil entworfenen Gebäude dauerte von 1904 bis 1911. Während seiner Weimarer Zeit wohnte die Familie van de Velde im Haus Hohe Pappeln. Er war sowohl Mitglied des 1903 gegründeten Deutschen Künstlerbundes als auch des vier Jahre später gegründeten Deutschen Werkbundes, einer Vereinigung von Künstlern, Architekten, Unternehmern und Sachverständigen. Gemeinsam mit Anna Muthesius und Paul Schultze-Naumburg entwarf er auch künstlerisch inspirierte Modelle weiblicher Reformkleidung. 1902 wurde anlässlich der Industrie- und Gewerbeausstellung Düsseldorf im Ausstellungspalast ein „Van de Velde Zimmer“ eingerichtet. Von 1908 bis 1909 gestaltete er den Innenraum von Schloss Lauterbach ebenfalls im Jugendstil um. Bauaufträge des Großherzogs blieben aus. Van de Velde arbeitete als Architekt erfolgreich für private Auftraggeber. In Weimar nicht mehr realisiert wurden ein geplantes monumentales Nietzsche-Denkmal, ein Sommertheater für die Berliner Schauspielerin Louise Dumont und ein Restaurant am Ausflugsziel Webicht. Von 1914 bis 1916 leitete van de Velde auf Wunsch seines Freundes Harry Graf Kessler während dessen Einberufung zum Wehrdienst im Ersten Weltkrieg die von Kessler gegründete Cranach-Presse in Weimar. Die Kunstgewerbeschule wurde kriegsbedingt 1915 geschlossen. Van de Velde verließ 1917 Deutschland und ging in die Schweiz, wohin ihm seine Familie im November 1918 nachfolgte. Er hatte teilweise als Angehöriger einer „kriegsgegnerischen Nation“ politischen Druck zu ertragen. So musste er sich angeblich zeitweise dreimal täglich bei der Polizei in Weimar melden, obwohl er einen deutschen Pass besaß. Die Kunstgewerbeschule wurde nach 1919 Keimzelle der Bauhaus-Schule.
Van de Velde wurde in der Schweiz nicht heimisch. 1920 bis 1926 entwarf er als Architekt für das Mäzenaten-Ehepaar Kröller-Müller ein Privatmuseum in Otterlo in den Niederlanden, das jedoch erst 1938 als Provisorium fertiggestellt wurde. 1925 erhielt er eine Professur für Architektur an der Universität Gent und wurde ein Jahr später Direktor des neu gegründeten Institut Supérieur des Arts Décoratifs (ISAD) in Brüssel. Der Neustart in Belgien war nicht einfach. Van de Velde wurde noch Jahre nach dem Ersten Weltkrieg als Germanophiler angegriffen und ihm eine angebliche deutsche Staatsangehörigkeit vorgeworfen. 1936 wurde er emeritiert, beteiligte sich aber noch an zwei Weltausstellungen, der Weltfachausstellung Paris 1937 und der 1939 New York World’s Fair. 1939 wurde van de Velde zum Mitglied der belgischen Königlichen Kommission der Monumente und Landschaften berufen. Wegen seiner Tätigkeit als Conseiller esthétique de la reconstruction, als Berater für Wiederaufbau unter der deutschen Militärverwaltung, wurde der 83-Jährige nach dem Zweiten Weltkrieg in Belgien erneut angefeindet. Er musste sich unter dem Vorwurf der Kollaboration einem entsprechenden Verfahren unterwerfen, das nach kurzer Zeit eingestellt wurde. 1947 zog er sich in die Schweiz zurück. Sein Nachlass blieb in Brüssel zurück, wurde ihm aber teilweise von Freunden zum Verfassen seiner „Lebensreise“ ins Exil gebracht. Van de Velde verstarb 1957 im 95. Lebensjahr nach kurzer Krankheit in einem Spital in Zürich. Seine Asche wurde in aller Stille neben dem Grab seiner Frau auf dem Friedhof von Tervuren bei Brüssel beigesetzt. Er hatte seinen eigenen Grabstein bereits 1943 entworfen.
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